Dieses Fachgespräch findet im Rahmen des Verbundprojekts AnschlussM der Universität Bremen und der Pädagogischen Hochschule Freiburg statt (Finanzierung über das BMBF im Rahmen der Forschungsvorhaben „Kooperation von Elementar- und Primarbereich“)
Prof. Dr. Oliver Thiel Dr. phil, Dipl.-Phys., Grundschullehrer "Matematikkglede" Die Freude an Mathematik. Mathematik in der Ausbildung
von VorschullehrerInnen in Norwegen
Donnerstag, 08. November 2012, 19:30 - 21:30 Uhr,
Bremen, Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4/5,
Olbers-Saal, 1. OG, Eintritt frei.
Die Bremer Fachgespräche „Bildung von Anfang an“ bieten am Donnerstag, den 08. November 2012 einen Vortrag des deutsch-norwegischen Mathematikdidaktikers, Prof. Dr. Oliver Thiel zur "Freude an der Mathematik" (norwegisch "Matematikk-Glede") in der frühkindlichen Bildung. Die öffentliche Veranstaltung findet von 19.30 bis 21.30 im Bremer Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4/5 statt und ist kostenlos.
Kinder sind von sich aus neugierig, haben einen großen Hunger nach Wissen und wünschen zu allem Möglichen mehr zu erfahren - auch über den Zauber der Zahlen. Aufgabe des Kindergartens ist es, diese Neugier zu unterstützen und damit eine natürliche Grundlage für ein lebenslanges Lernen zu legen. In den deutschen Kita-Bildungsplänen hat sich die mathematische Bildung bzw. die Entwicklung mathematischer Fähigkeiten zu einem beachtlichen Themenschwerpunkt entwickelt. Damit stehen Mathematik-DidaktikerInnen vor der Herausforderung, eine Ausbildung für Erzieherinnen zu schaffen, die gewährleistet, dass Erzieherinnen diejenigen Kompetenzen ausbilden, die sie für eine adäquate Umsetzung der Bildungspläne benötigen. Hierbei können Erfahrungen aus Norwegen helfen. Darüber informiert der Vortrag von Prof. Thiel, der beide Bildungssysteme persönlich kennt.
Prof. Thiel beleuchtet in seinem Vortrag die norwegische Sicht auf mathematische Bildung im Kindergarten an vielen interessanten Beispielen. Der Vortrag wird konkrete Anregungen für mathema-tische Lernanlässe und Aufgaben präsentieren. Dabei wird auch betrachtet, welche Spezialqualifikationen seitens der Erzieherinnen eine pädagogische Auseinandersetzung mit Mathematik verlangt. Auch darüber kann im Anschluss des Vortrages ausgiebig diskutiert werden.
Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, in denen kein Hochschulabschluss Voraussetzung für die Arbeit in Kindergärten ist. Erzieherinnen werden mehrheitlich an Fachschulen ausgebildet. Das Fach Mathematik macht, wenn es überhaupt enthalten ist, nur einen kleinen Anteil der Ausbildung aus. In den Kita-Bildungsplänen ist dagegen festzustellen, dass mathematische Bildung bzw. die Entwicklung mathematischer Fähigkeiten zu einem beachtlichen Schwerpunkt geworden ist.
In Norwegen gibt es seit 1995 einen dreijährigen Bachelor-Studiengang "Frühe Bildung", der 180 ECTS-Studienpunkte umfasst, von denen mindestens 10 dem Bereich Mathematik und Mathematikdidaktik zugeordnet sind.
Die eigenen Interessen und Fragen der Kinder sollten die Basis für Lernprozesse und Themen im Kindergarten bilden. Lernen über sich selbst, über andere Menschen, über Wechselwirkungen und über die physische Welt um sie herum ist ein Prozess, der dazu beiträgt, das Leben von Kindern bedeutungsvoll zu machen. Kindergärten sollten die Fähigkeit der Kindern fördern, sowohl in formellen und als auch in informellen Lernumgebungen zu lernen. Formelle Lernumgebungen werden von den Erzieherinnen geplant und geführt. Informelle Lernumgebungen sind mit alltäglichen Tätigkeiten und mit hier-und-jetzt Situationen verbunden. Sowohl formelle als auch informelle Settings haben einen pädagogischen Zweck, und mathematische Bildung sollte sowohl formell als auch informell stattfinden.
Das Personal in Kindertagestätten spielt eine aktive Rolle bei den Lernprozessen der Kinder. Einige Kinder suchen ständig von sich aus nach Lerngelegenheiten. Sie erforschen und experimentieren, suchen nach neuen Herausforderungen und fragen ihre Erzieherin, wenn sie sich über etwas wundern. Sie teilen ihre Neugier und ihren Wissensdurst mit. Andere Kinder suchen seltener nach neuen Herausforderungen und teilen ihre Interessen in einem geringeren Ausmaß mit. Erzieherinnen müssen von sich aus ihr Wissen mitteilen und ihre Begeisterung für ein Thema zeigen, um das Interesse dieser Kinder zu wecken. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Freude an Mathematik, für die es im Norwegischen ein eigenes Wort gibt: Matematikkglede! Mathematik ist lustig, motivierend, wichtig und macht Spaß. Nur wenn Erzieherinnen das schon während ihrer Ausbildung erfahren, können sie auch im Kindergarten mathematische Lernprozesse entsprechend gestalten.
Aber auch Herausforderungen und Aufgaben, bei deren Bearbeitung man ins Schwitzen kommt, können motivierend sein und Spaß machen. Indem Erzieherinnen von den Interessen der Kindern ausgehen, können sie zusammen mit den Kindern forschen, Fragen stellen und Antworten finden, die die Kinder befriedigen. Die Kommunikation von aktuellen und relevanten Kenntnissen bildet die Grundlage für neue Fragen und die Suche nach weiteren Kenntnissen.
Schon in jungem Alter begegnen Kinder den Zahlen und dem Zählen, erforschen sie den Raum und die Formen, denken sie über Ursachen nach und suchen sie nach Verbindungen. Beim Spielen, beim Experimentieren und bei alltäglichen Aktivitäten entwickeln Kinder ihre mathematischen Fähigkeiten. Der norwegische Rahmenplan für den Kindergarten führt aus, dass Erzieherinnen durch die Arbeit an mathematischen Inhalten helfen, dass Kinder
Freude am erforschen von und spielen mit Zahlen und Formen bekommen
tragfähige und anwendbare mathematische Konzepte erwerben
Erfahrungen mit Formen und Mustern machen, sie erforschen und mit ihnen spielen
Erfahrungen machen mit verschiedenen Größen und Messvorgängen, indem sie sortieren und vergleichen
Erfahrungen machen mit Lagebeziehungen und Ausrichtungen und so ihre Fähigkeiten entwickeln, sich im Raum zu orientieren
Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Erzieherinnen
selbst Freude an mathematischen Tätigkeiten und Liebe zur Mathematik haben
die mathematischen Ideen wahrnehmen und verstehen, die Kinder im Spiel, in Gesprächen und bei Alltagstätigkeiten zum Ausdruck bringen
die mathematische Entwicklung der Kindern auf der Grundlage der kindlichen Interessen und Ausdrucksmöglichkeiten fördern
darauf achten, dass sie selbst mathematische Fachbegriffe korrekt verwenden
die Neugier der Kindern, ihre Liebe zur Mathematik und ihr Verlangen, mathematische Zusammenhänge zu erforschen unterstützen
zusammen mit Kindern über Ähnlichkeiten, Unterschiede, Größen und Mengen nachdenken und sich Fragen dazu stellen sowie die Fähigkeit der Kinder stimulieren, Sprache als ein Werkzeug für logisches Denken einzusetzen
sicherstellen, dass Kinder Zugang haben zu verschiedenen Spielen, technischen Geräten, Materialien zum Zählen, Bausteinen, Spielsachen und Modelliermasse und diese auch nutzen, und Materialien zur Verfügung stellen, mit denen die Kinder Erfahrungen mit dem Klassifizieren, Ordnen, Sortieren und Vergleichen machen können
die Kinder mit Gestaltungsanregungen und Erfahrungen versorgen, indem diese verschiedene Formen und Muster erforschen, entdecken und kreieren
sicherstellen, dass Kinder beim Spielen und in Alltagssituationen verschiedene Größen, Einheiten und Messgeräte kennen lernen, und Kinder anregen, über Entfernungen, Gewichte, Rauminhalte sowie die Zeit und das Geld nachzudenken
Der Vortrag wird konkrete Anregungen für mathematische Lernanlässe und Aufgaben präsentieren. Dabei wird auch betrachtet, welche Spezialqualifikationen seitens der Erzieherinnen eine pädagogische Auseinandersetzung mit Mathematik verlangen. Auch hierüber kann im Anschluss des Vortrages ausgiebig diskutiert werden.
2010 - 2011 Vertretungsprofessur an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd
2005 - 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität zu Berlin
2005 Promotion; Thema der Dissertation : Modellierung der Bildungsgangempfehlung in Berlin
2003 - 2005 Vorbereitungsdienst auf das Lehramt in Berlin
1998 - 2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität zu Berlin
1995 - 1997 Lehramtsstudium an der Humboldt Universität zu Berlin
1987 - 1995 Physikstudium an der Freien Universität Berlin
Arbeitsgebiete
Mathematik im Kindergarten
Lernschwierigkeiten in Mathematik
VorschullehrerInnen-Ausbildung
Mitgliedschaften
Mitglied im Grundschulverband
Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM)
Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE)
AusgewähltePublikationen
Oliver Thiel (2012): Socio-economic diversity and mathematical competences. European Early Childhood Research Journal. Vol. 20, No. 1, 2012, pp. 61-81
Oliver Thiel (2010): Teachers' Attitudes towards Mathematics in Early Childhood Education. European Early Childhood Research Journal. Vol. 18, No. 1, 2010, pp. 105-115
Oliver Thiel (2010): Zahlen und Zählen. Zahlen im Kindergarten und in der Schulanfangsphase. Mathematik differenziert 2, 2010, S. 16-22
Porsch, Uta; Thiel, Oliver (2009): Mein Start mit Einstein. Basisfähigkeiten für das Mathematiklernen. Schroedel: Braunschweig
Oliver Thiel (2008): Mathematisches Denken von Vorschul-kindern. Grundschulunterricht Mathematik 3, 2008, S. 8-10
Oliver Thiel (2007): Wie lassen sich Mathematikleistungen zum Rechnen mit Geld einordnen? Grundschulunterricht 7-8, 2007, S. 33-35
Oliver Thiel (2004): Die unbekannte Schar im Mathematik-unterricht. Untersuchung zum Wissen und Können von Erstklässlern. Grundschule 3, 2004, S. 20-24.